Stadtentwicklung Berlins & Radwegenetz

Um die Lage der Radbahn im städtischen Kontext von Berlin zu verstehen, bedarf es eines Blicks in die Stadtentwicklungsgeschichte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts betrug Berlins Bevölkerungszahl 200.000, aber mit der zunehmenden Industrialisierung kam es zu einem gewaltigen Bevölkerungszuwachs. Innerhalb kürzester Zeit wuchs Berlin aus seinen Mauern heraus zu einer Millionenstadt, vereinnahmte Nachbargemeinden und hatte fortan mit Problemen der Hygiene, Versorgung und Entsorgung und des Verkehrsaufkommens zu kämpfen.

Nach dem Vorbild der Pariser Stadtplanung wurde in den 1860er Jahren der sogenannte Hobrecht Plan verabschiedet: Der Generalszug vom Südstern bis zum Breitscheidplatz, die ringförmigen Gürtelstraßen, die radialen Ausfallstraßen und die außerstädtischen Rieselfelder zur Abwasserreinigung, sowie die Entwicklung der typischen dicht angelegten Berliner Mietskasernen, gehen auf diesen Plan zurück. Entlang der bis dahin als Zollmauer fungierenden Akzisemauer (siehe Abbildung) entstand zwischen 1896 und 1902 die erste Berliner U-Bahn: die U1.

Gefielen den Berlinerinnen und Berlinern die Hochbahnpfeiler zuerst nicht, entwickelte der Architekt Alfred Grenander eine gestalterisch anmutende Lösung und prägte fortan das Bild der Stadt. Diese Verzierungen im Jugendstil sind noch heute auf einigen Pfeilern und Hochbahnhöfen präsent und machen die U1 zusammen mit ihrer besonderen Lage diagonal zu allen Ausfallstraßen zu einer Pulsader des urbanen Lebens.

Berlin um 1850
Heck, G.: Plan von Berlin. Leipzig, F. A. Brockhaus, 1849. Schlegel & Eberhardt nach G. Heck

Radwegenetz Berlin

Der historisch bedingten Sonderlage im Berliner Straßennetz verdankt die Radbahn-Route auch heute noch ihre verkehrliche Qualität. Auch wenn sie nicht als Radschnellverbindung nach den Richtlinien für Radschnellverbindungen (1) gelten kann, erfüllt sie trotzdem wichtige Kriterien: Auf der Spur der alten Zollmauer gelegen, verbindet sie innerstädtische Gebiete mit einer hohen Wohn- und Arbeitsplatzdichte und etlichen Anschlüssen an den öffentlichen Nahverkehr mit einem attraktiven, sicheren und zielgerichteten Radweg. Da die Radbahn das radiale Straßennetz Berlins wie eine Diagonale durchschneidet, gibt es keine Parallelen, die als Alternativen zu dieser Route fungieren könnten. Vielerorts ließe sich die Radbahn also nur im Zick-Zack umfahren. Man könnte sagen, als Radweg ist die Radbahn alternativlos.

Entlang der alten Zollmauer könnte die Radbahn eine westliche Anbindung an den gerade eingeweihten Radweg an der Warschauer Straße bieten und somit einen wichtigen Part eines Fahrrad-Rings darstellen, der dann weiter über den neu gestalteten Fahrradweg der Petersburger Straße führen könnte. Darüber hinaus schließt die Radbahn-Route auch an vielen weiteren Punkten an das bestehende Radwegenetz der Stadt an. Besonders aber die Funktion als Verteilerstrecke zwischen den sich in Planung befindlichen Radschnellverbindungen von der Peripherie in die Stadt ist ein großes verkehrliches Potenzial der Radbahn.

(1) FGSV – Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (2014):
Arbeitspapier. Einsatz und Gestaltung von Radschnellverbindungen. FGSV Verlag, Köln