Freude am Fahrradfahren

Was die Attraktivität anbelangt, so lassen sich unzählige rationale Argumente finden: Radfahren ist gesund, hält fit und schlank, ist auf kurze Strecken schnell und flexibel, umweltfreundlich, raumsparend, energieeffizient, für Städte, Regionen und lokalen Einzelhandel wirtschaftlich gewinnbringend und das Fahrrad ist in der privaten Anschaffung und Wartung vergleichsweise
kostengünstig. Vereinfacht gesagt: das Fahrrad bietet für (fast) alle Probleme, die mit dem Automobil als individuellem städtischen Verkehrsmittel einhergehen, eine einfache Lösung.

Was neben diesen fortbestehenden Argumenten aber wohl noch zukunftsbringender und wichtiger ist: Das Image des Radfahrens gegenüber dem Autofahren ist im Begriff, sich zu verändern. War das Fahrrad im vergangenen Jahrhundert noch das Verkehrsmittel der „grünen Weltverbesserer“, hat es sich in den letzten Jahren zum Lifestyle-Objekt gewandelt. Es gehört zum urbanen Lebensstil und gilt als Ausdruck von Geschmack, Status und Individualität – jene Disziplinen, in denen das Auto jahrzehntelang eine Hegemonialstellung innehatte.

Analog zur Mobilitätswende hin zu einer nachhaltigen städtischen Mobilität der Zukunft sind auch Planung und Politik, Zivilgesellschaft und Medien weltweit immer mehr von der Sinnhaftigkeit des Fahrrads als städtisches Transportmittel überzeugt. Beim Automobil hingegen ziehen die alten Argumente – Freiheit, Wohlstand und Moderne – nur noch bedingt. Ständiges im Stau Stehen und lästige Parkplatzsuche verkehren die Freiheit in einen Zwang, seine negativen Auswirkungen auf die Umwelt sowie die zunehmenden Flächenprobleme in Städten werden spürbarer. So wird es zunehmend ungewöhnlicher, dass beispielsweise die Generation Y in Städten heute das Auto für eine innerstädtische Kurzstrecke von wenigen Kilometern wählt.

Was spricht also dagegen, das Fahrrad bedingungslos zu fördern – Bürgerinnen und Bürger sprechen sich eindeutig fürs Radfahren aus (siehe die große Unterstützung, die dem Volksentscheid Fahrrad in Berlin zukommt). Dem Automobil (und seiner Lobby) wurde seit dem Leitbild der autogerechten Stadt der 1960er Jahre fast auf der gan-zen Welt ein Großteil des innerstädtischen Raumes und ein Logenplatz in der Kultur-Produktion zugestanden. Als Gesellschaft haben wir uns über Jahrzehnte daran gewöhnt, uns mit dem Auto fortzubewegen, einen Parkplatz zur Verfügung gestellt zu bekommen und die externen Kosten (Umweltbelastung etc.) dabei weitgehend
auszublenden. Damit geht der materielle Besitz eines eigenen Autos als Statussymbol einher, der dem kommenden Kulturwandel zuwiderläuft.

Wenn wir uns doch gesellschaftlich dazu entschieden haben – und damit sind wir bei den Aushandlungsprozessen durch Subversion und Widerstand angekommen –, dass wir zumindest einen Teil unserer ursprünglichen Vorstellungen von Mobilität und Verkehr aufgeben wollen, dann ist es nur konsequent und folgerichtig, dass sich dies im Straßenraum manifestieren muss. Denn in der Theorie macht die Mobilitätskultur diesen Transformationsprozess bereits durch. Jetzt benötigen wir noch flächendeckende Infrastrukturen für Radfahrende, also auch einen Ort, der das Radfahren feiert und ihm den besten Platz zugesteht. Eine Strecke, auf der man „mal gefahren“ sein muss, ist für viele die beste Motivation, das verstaubte Fahrrad aus dem Keller zu holen, die Reifen aufzupumpen und mal wieder wahre Freude am Fahren zu verspüren!

40%
geringer ist das Stresslevel von Fahrradfahrenden im Vergleich zu Personen, die andere Verkehrsmittel nutzen.

The Telegraph (2015): Cyclists are 40 per cent less stressed than other commuters. The Telegraph. 14.05.2015. http://www.telegraph.co.uk/men/active/recreational-cycling/11603491/Cyclists-are-40-per-cent-less-stressed-than-other-commuters.html

13%
häufiger als Radfahrende und zu Fuß Gehende geben Autofahrende an, dass sie ständig unter Stress stünden und an Schwierigkeiten litten, sich zu konzentrieren.

Herrmann, S. (2014): Psyche der Pendler, Glück der Radler, Frust der Autofahrer. Süddeutsche Zeitung. 16.09.2014. http://www.sueddeutsche.de/wissen/psyche-der-pendler-glueck-der-radler-frust-der-autofahrer-1.2130063