Neuer Stadtraum
Blickt man mit Distanz auf den öffentlichen Raum in Städten, so ist es schon etwas verrückt, dass riesige Flächen für ruhende Autos zur Verfügung gestellt werden, die im Durchschnitt nur eine Stunde pro Tag ihre eigentliche Aufgabe erfüllen, Menschen von A nach B zu bringen. Die übrigen 23 Stunden des Tages reduzieren sie unsere Stadtfläche um je 15 qm – 100.000-fach. Gleichzeitig wächst Berlin und die Grundstückspreise schnellen in die Höhe. Ein Anwohnerparkplatz in bester Lage kostet hier aber weiterhin maximal 10€ pro Jahr!
Das Recht auf ein eigenes Auto hat sich über Jahrzehnte in unserer Gesellschaft manifestiert und für viele Menschen ist es nicht vorstellbar, kein eigenes Auto zu besitzen. Mit der rasanten technologischen Entwicklung im Mobilitätsbereich wird das Leben ohne eigenen Pkw aber möglich: Elektroautos und Car-Sharing, autonomes Fahren und höchste Intermodalität durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien werden helfen, den Bedarf an Straßen- und Parkraum in Zukunft stark zu verringern.
Glaubt man optimistischen Prognosen, so wird ein Großteil des urbanen Verkehrs über autonom fahrende E-Kleinbusse abgewickelt werden – ohne Haltestellen, also free-floating, fährt immer ein Bus genau die richtige Strecke, die man zu bewältigen hat. Diese urbane Reisevariante könnte derart günstig und komfortabel werden, dass es einfach keinen Sinn mehr macht, ein Privatauto zu halten. Aber auch wenn man einen pessimistischen Blick in die Zukunft wirft und daran glaubt, dass Menschen ihre Gewohnheiten nicht ändern werden und an ihrem eigenen Auto festhalten, kann sich dennoch – solange es autonom fahrende Autos sind – an unserem Stadtbild grundlegend etwas ändern. Denn das autonom fahrende Fahrzeug kann auch autonom parken, sei es in innerstädtischen Parkhäusern oder draußen vor der Stadt. Am nächsten Tag lässt es sich dann einfach rufen, wie ein Chauffeur.
Und nicht nur in Zukunft, wenn die selbstfahrenden Autos marktreif sein werden; auch heute gibt es schon die Möglichkeit politisch Anreize für die Bürger zu schaffen, Sharing-Systeme zu nutzen, sofern sie im Gegenzug ihr eigenes Auto abschaffen. Theoretisch könnten dadurch 8 von 9 Fahrzeugen und damit 120 von 135 qm Parkplatzfläche anderweitig genutzt werden. Idealerweise als öffentliches Gemeingut, auf dem Menschen sich entfalten dürfen.
Eine Radstrecke wie die Radbahn könnte einen ersten Ausblick in diese Zukunft geben, indem ein Raum geschaffen wird, der eine Symbiose aus attraktivem Verkehrs- und Lebensraum schafft. Bewusst oder unbewusst könnten hier viele Menschen einen Denkanstoß erhalten und sich die Frage stellen, warum Räume wie dieser nicht auch an anderen Orten in der Stadt
entstehen.
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Stunden stehen Pkw im Durchschnitt täglich ungenutzt herum und blockieren dabei je 15 qm Stadtfläche.
Randelhoff, M. (2013): Die größte Ineffizienz des privaten Pkw-Besitzes: Das Parken. Zukunft Mobilität. 23.02.2013. http://www.zukunft-mobilitaet.net/13615/strassenverkehr/parkraum-abloesebetrag-parkgebuehr-23-stunden/
10€
im Jahr kostet in Berlin derzeit ein Anwohnerparkplatz, sofern eine Parkzone ausgewiesen ist. In Tokio sind es selbst in Vororten 960 bis 1680€ im Jahr.
The Economist (2017): Parkageddon. How not to create traffic jams, pollution and urban sprawl. 08.04.2017. http://www.economist.com/news/briefing/21720269-dont-let-people-park-free-how-not-create-traffic-jams-pollution-and-urban-sprawl
Bereits heute möglich
Dort wo heute neun Privatautos parken, könnte schon bald nur noch ein Sharing-Car stehen. Das Verhältnis verschiedener Prognosen schwankt stark und reicht von 16:1 bis 7:1. Mit 9:1 bewegen wir uns im Feld eher konservativer Schätzungen. Sicher ist aber, dass durch den konsequenten Umstieg auf Car-Sharing-Systeme extrem viel öffentliche Raum generieren werden könnte.
In der Zukunft möglich
Autonome Autos benötigen aufgrund ihres effizienten Fahrvermögens und weil das Aus- und Einsteigen eines Fahrers oder einer Fahrerin wegfällt nur etwa 50% der Parkfläche verglichen mit heutigenparkenden Autos. Hinzu kommt, dass ihre Parkhäuser nicht für stehende Menschen ausgelegt sein müssen – 1,50 Meter Deckenhöhe reichen aus, was ungefähr weitere 50% an Platz spart.
(1) Knie, A. (2013): Gastbeitrag: Flexibles Carsharing stärkt U- und S-Bahn. Zeit Online. 08.08.2013. http://www.zeit.de/mobilitaet/2013-08/carsharingnahverkehr
(2)Martin, E., Shaheen, S. (2016): Impacts of Car2Go on Vehicle Ownership, Modal Shift, Vehicle Miles Travelled, and Greenhouse Gas Emissions: An Analysis of Five North American Cities. Working Paper. University of California, Berkeley