Am Wasser

Mit den Joggenden auf gleicher Höhe fahren und davon träumen, dass Kreuzberg am Meer liegt

Möckernbrücke Prinzenstraße

Der Ort

Die Radbahn verläuft entlang des Landwehrkanals, dessen Potenzial bislang nicht erschlossen ist. Durch fehlende Zugänge und Sichtachsen zum Wasser verschwindet die Wasserlage an dieser Stelle leicht aus dem Bewusstsein. Wir machen einen Vorschlag, wie man die Qualität des Ortes deutlich aufwerten könnte. Vor dem Hintergrund, dass in diesem Gebiet in den kommenden Jahren viele neue Wohnungen und Büroflächen entstehen sollen, ist die Diskussion über attraktive Treffpunkte für Naherholung besonders aktuell und sinnvoll.
Zudem sehen wir in diesem Abschnitt das Potenzial zu einem grünen Logistik-Umschlagplatz, der den emissionsreichen Lkw-Zulieferverkehr im politischen und wirtschaftlichen Zentrum der Hauptstadt verringern könnte.

Die Route

Rund 1.000 Meter verläuft die Radbahn am Landwehrkanal, wobei wir in diesem Abschnitt den zu Fuß Gehenden den Raum unter der Hochbahn und direkt am Wasser überlassen und die Radfahrenden auf Höhe der Straße jedoch separiert radeln lassen.

An den U1-Bahnhöfen Möckernbrücke und Hallesches Tor führt die Radbahn parallel zur Straße nördlich vorbei und mündet schließlich in die Gitschiner Straße.

Die Wiederentdeckung des Wassers

Historische Bilder belegen die wirtschaftliche Bedeutung des Landwehrkanals für die Güter- und Baustoffanlieferung. Die Anbindung des Raums unter der Bahn an das Wasser ist im Laufe der Zeit verloren gegangen und vorhandene Wasserlagen sind, wie auch an vielen anderen Stellen in Berlin, aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden. Wir Menschen haben uns allerdings seit jeher an Flussläufen und Meeresbuchten unsere Siedlungen errichtet – der Blick aufs Wasser beruhigt und fasziniert uns zugleich. Es liegt also nahe, diese Qualität mit einer Anbindung an den Kanal wieder herzustellen.

Strandqualität inmitten der Stadt

Zwischen Großbeerenstraße, U-Bahnhof Möckernbrücke und Tempodrom soll in den nächsten Jahren ein neues Quartier mit 500 Wohnungen und 20.000qm Gewerbefläche entstehen. Für die in Zukunft hier wohnenden und arbeitenden Menschen sowie für alle Passanten auf der Radbahn und dem wiederbelebten Spazierweg würde der hier entstehende „Möckernstrand“ einen neuen Raum für demokratische Naherholung schaffen. In großen Teilen überdacht, bietet dieser Ort eine einzigartige urbane Atmosphäre und hohe Aufenthaltsqualität insbesondere an heißen Sommertagen sowie bei Regen. Kleine (mobile) gastronomische Angebote könnten hier an verschiedenen Stellen Platz finden und auch eine wettergeschützte und kostenlose Freiluftbühne wäre einfach zu realisieren und würde zum Flair beitragen.

Möckernstrand

Platz für Fußgänger

Unter den Folgen der autogerechten Stadt, wie sie in den 1960er Jahren propagiert wurde, leiden nicht nur Radfahrende, sondern auch Fußgängerinnen und Fußgänger. Der derzeit bereits an vielen Stellen existierende Spazierweg nördlich des Landwehrkanals wird zu oft von kreuzenden Straßen ohne Fußweg unterbrochen, als dass spazierende Personen und Sporttreibende diese Strecke nutzen könnten. Parallel zur Radbahn sehen wir deshalb das Potenzial, den Spazierweg wieder zu beleben. Ziel der Stadtplanung sollte es sein, den Uferweg bis nach Charlottenburg zu führen. An diesem Abschnitt legen wir den Grundstein dafür. Zu Fuß Gehende erhalten den attraktiveren Weg direkt am Ufer und die Radfahrende ziehen an die Straße heran.

Einige Abschnitte entlang des Landwehrkanals sind auch heute schon attraktiv, man erreicht sie aber nur umständlich. Mit einigen neuen Straßenübergängen und teilweise neuen Wegen könnten Flanierende zukünftig über viele Kilometer durchgängig am Landwehrkanal entlang spazieren.

Brückenkreuzung Mehringdamm

Die Radbahn ersetzt nicht die Radverkehrsführung an Kreuzungen, sondern ergänzt sie für die durchgehenden Verkehrsströme. Deshalb ist eine Eingliederung auch in Spezialfällen wie an aufgeweiteten Knotenpunkten mit Brücke zwischen zwei Fahrdämmen kein Problem.
Die Radbahn wird einfach wie eine Straßenbahn parallel der Kfz-Hauptrichtung in den Ampelprogrammen mit berücksichtigt. Da die B96 von Süden kommend via Mehringdamm in Richtung Westen auf das Hallesche Ufer verschwenkt, ist zu bestimmten Stoßzeiten von hoher Verkehrsstärke auszugehen. In diesem Falle ist ist eine Sonderphase notwendig.

Entwicklung am Halleschen Tor

Die Gegend um den Mehringplatz zwischen Halleschem Tor und Friedrichstraße ist als sozialer Brennpunkt stigmatisiert. Gleichzeitig birgt ihre innerstädtische geografische Lage enorme Potenziale für die lokale Wirtschaft. Als Mittelpunkt der Radbahn käme dem Ort mehr Bedeutung zu, denn er hat das Potenzial, den relativ weiten öffentlichen Raum zu beleben und einen Impuls zu einer wirtschaft lichen Entwicklung zu geben. Der lokale Einzelhandel würde gestärkt und mit einem Lastenrad-Hafen könnten auch einige Anwohner durch mögliche neue Arbeitsplätze in ihrem unmittelbaren Umfeld profitieren.

23 % der Fahrten im Wirtschaftsverkehr könnten langfristig mit Transportfahrrädern abgewickelt werden.*

* Gruber, J., Rudolph C. (2016): Untersuchung des Einsatzes von Fahrräd ern im Wirtschaftsverkehr (WIV-RAD) (Schlussbericht). Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) / Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI).

Es scheint, als würde der Polytheismus der Radler den Monotheismus des Erdöls zu Fall bringen können, so sinngemäß der französische Ethnologe Marc Augé. Die Berliner Radbahn wird uns in diesem Sinne wieder ein weiteres Stück voran in eine postfossile Zukunft führen und zur Verbesserung der städtischen Lebensqualilität beitragen. Die Stadt als kulturelles und ökonomisches Laboratorium lebt von der Qualität ihrer öffentlichen Räume. Je weniger diese durch die Zumutungen des fossilen Verkehrs zerstört werden, desto besser kann die Bürgergesellschaft gedeihen. [...] Prof. Dr. Stephan Rammler, Experte für Mobilitätsund Zukunftsforschung

Genau dafür steht unsere Stadt: Die Radbahn Berlin ist eine innovative Idee von kreativen Köpfen. Die Teststrecke kann immer neue Ideen erzeugen, die weit über das eigentliche Radfahren hinausgehen und damit zum Aushängeschild für einen smarten Wirtschaftsstandort Berlin werden. Und es gibt noch tolle Nebeneffekte: Mit der Radbahn schaffen wir auf der Straße mehr Raum für den Lieferverkehr, entfechten Rad und Auto und machen das Radeln so sicherer. Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin

Lastenrad-Hafen am Halleschen Tor

Ein Ziel von Berlins rot-rot-grüner Regierung ist es, das historische Zentrum attraktiv und fußgängerfreundlich umzugestalten und den motorisierten Individualverkehr zunehmend zurückzudrängen. Da zwischen Tiergarten und Alexanderplatz, Spree und Landwehrkanal aber unzählige politische und wirtschaftliche Repräsentanzen residieren, wird der Lieferverkehr weiterhin massiv auf den Straßen vertreten sein, sofern nicht neue Alternativen etabliert werden. Eine Lösung, die diskutiert wird, ist die Nutzung des U- oder S-Bahn-Netzes zu Nachtzeiten, wenn der Personenverkehr für einige Stunden eingestellt wird. Eine weitere Strategie könnte sein, die zahlreichen Kanäle in der Stadt wieder für den Güterverkehr zu nutzen. Mit der Skizze eines Logistik-Umschlagplatzes in der Nähe des Halleschen Tors wollen wir die Diskussion erweitern.

An den großen Häfen und Logistikzentren an Berlins Stadtrand werden E-Transportschiffe mit XS-Containern beladen. Am Lastenrad-Hafen Hallesches Tor nehmen Kuriere die kleinen Container auf ihr Rad und verteilen die Waren im politischen und wirtschaftlichen Zentrum der Hauptstadt.